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Der Tag, an dem ich Hamster kaufte

Das Jahr begann so verheißungsvoll wie eh und je. Der Silvesterkater war erstaunlich schnell vertrieben, alte Laster hat man zurückgelassen, neue sofort und ohne Probleme installiert. Dazu beim ersten Einschalten des Fernsehers gleich wieder auf eine Perle gestoßen. Das Dschungelcamp präsentierte sich auch dieses Jahr wieder in Topform und zeigte uns sehr seltene, aber leider ganz und gar nicht vom Aussterben bedrohte Artgenossen. Ein Sammelsurium prominenter Restposten, die uns den Rest geben. Der Ein-Euro-Laden, der seine teuerste Ware in der untersten Schublade führt.

Wer sollte ahnen, dass selbst diese unterste Schublade nur einige Wochen später leergekauft sein sollte. Kein Krieg, kein Klima, keine außerirdische Lebensform bringt uns in Wanken, sondern ein Virus. Ein Kleinstlebewesen, aus den Launen der Natur heraus entstanden. Sie, die Mutter Natur, probiert gerne aus. Sie überanalysiert nicht, sie macht. Sie (und nicht der Amerikaner) ist die Erfinderin der „shoot first“ Mentalität. Einfach mal machen und danach schauen, was dabei herauskommt. Hier mal eine Base weglassen, da mal eine ganze Aminosäure austauschen. Das geht oft schief, manchmal klappt es aber. Jetzt schuf sie ihr Meisterstück. Zwar hat es den Umweg über die Fledermaus und dann sogar über das Schuppentier gebraucht, sie denkt aber erfolgsorientiert. Allzu lange musste sie unter den dominanten Menschen leiden, die sie Stück für Stück enteignet, gerodet, aufgeschürft, abgetragen haben. Ganz im Stillen holte sie zum Gegenschlag aus. Und zeigt der arrogantesten aller Lebensformen die Grenzen auf. Ironisch auch deshalb, weil der Mensch sich das wieder selbst eingebrockt hat. Mit der immer weiteren Erschließung neuer Bereiche der Erde bleibt dem Menschen nichts mehr heilig. Wildtiere werden aufgescheucht, gefangen – als Delikatesse angeboten. Das Schuppentier, als wahrscheinlicher Träger von Mutters Kunstwerk, ist in manchen Regionen dabei der ganz heiße Scheiß unter den Feinschmeckern. Und wenn den Gourmets dieser Welt beim Anblick eines entschuppten Schuppentiers das Wasser im Mund zusammenläuft, dann hat es die Menschheit wohl auch nicht anders verdient, als mit 200 km/h voll in die Eisen steigen zu müssen. Wohl dem, der angeschnallt ist und noch genügend Profil auf den Reifen hat.

Nun also zurück ins Mittelalter, zumindest für einige Wochen. Sich mit dem begnügen, was man vor der Haustür hat (wenn man so weit gehen darf). Mit sich selbst auseinanderzusetzen, wird für viele der noch größere Horror sein als eine leergekaufte Schuppentiertheke. Wenn da mal nicht die Selbstmordrate nach oben schnellt. Mutter Natur reibt sich derweil genüsslich die Hände und genießt das Schauspiel.

Ich habe zum Glück schon früh vorgesorgt. Mit der Isolation am Horizont entschloss ich mich zu Hamsterkäufen. Ein Männchen und Weibchen. Sie sind mir in der Langeweile ein leuchtendes Vorbild, wie sie auf engstem Raum ein ganz großes Rad drehen und dabei nie müde werden. Und sollte wirklich alles mal zur Neige gehen – Hamsterfleisch zählt man unter den Gourmets ebenso wie das Schuppentier zur fünf-Sterne-Kategorie.

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